»Ich schauspielere nicht« // Morlockk Dilemma im Interview

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Morlockk-Dilemma

Vordergründig lässt sich Morlockk Dilemma problemlos auf der dunklen Seite der Macht verorten. Trat der »Anti-Kaas« auf seinen Platten bisher doch vorwiegend als assiklatschender Jünger der Apokalypse auf, der seine Liebe zur Kalaschnikow vertonte und dem die Antifa Auftrittsverbot wegen frauenfeindlicher Texte erteilte. Aber wer sich die Mühe macht, einen Blick hinter die Fassade zu werfen, wird feststellen, dass ­Dilemma schlicht einer der intelligentesten deutschen Rapper der Gegenwart ist. Dennoch wirft sein viertes Soloalbum »Circus Maximus« einige Fragen auf. Denn gerade in Zeiten, wo HipHop-Innovation mit dem Griff zur Gitarre gleichgesetzt wird, scheint für staubige Golden-Era-Ästhetik eigentlich kein Platz mehr. Oder gerade doch? Ein Gespräch.

Ich konnte zwischen dem Titel deiner neuen Platte und den Inhalten keinen Zusammenhang erkennen.
Für mich steht »Circus Maximus« nämlich für die Suche nach großen Momenten. Diese Suche prägt auch mein Leben. Es dreht sich um große Erwartungen. Auf der anderen Seite thematisiere ich Begrifflichkeiten wie Liebe oder Frauen – das passt für mich auch gut zum »Circus Maximus«. Aber eigentlich ist das egal. Ich fand nämlich vor allem, dass es ein kräftiger Begriff ist. Ich habe die Namen für die nächsten zehn Alben oder Projekte schon im Hinterkopf. Mir ist dabei wichtig, dass der Titel ein gewisses Pathos versprüht, gerne bis zur Grenze zur Abgedroschenheit.

Deine Stimme hat sich verändert, von hoch und aggressiv in Richtung heiser.
Das ist ein fließender Übergang und hat sich von Release zu Release verändert. Ich habe damit aber nicht auf eine Diskussion reagiert, am Ende war das eine physische Entwicklung. Man wird eben älter. Ich konnte die hohe Stimmlage einfach nicht mehr halten. Schon bei der »Postapokalypse« ist mir die Stimme beim Betonen weggebrochen und ich konnte die Melodieverläufe, die ich mir beim Schreiben überlegt hatte, nicht umsetzen. Für mich ist aber die eigentliche Erkenntnis, dass ich die Stimmlage dem Beat anpasse. Ich glaube, heute kann man sich das besser anhören und es ist immer noch krank genug.

Du hast auf deinem letzten Mixtape dein Alter Ego, den Eisernen Besen, ins Leben gerufen. Wo liegen die Unterschiede zwischen Morlockk Dilemma und dem Besen?
Auf dem Tape wird ja nur gebattlet. Aber Morlockk Dilemma ist kein MC, der einfach nur Lines spittet. Deshalb kam ich auf die Idee, mir ein Pseudonym zuzulegen – wie es ja schon viele Rapper vor mir gemacht haben. So groß sind die Unterschiede zwischen den AKAs aber nicht. Die Übergänge zwischen Besen und Dilemma sind fließend und beide kommen auf »Circus Maximus« vor. Sie ­wohnen schließlich auch im selben Haus, teilen sich ein Badezimmer und den Kloputzdienst.

Also wie Marsimoto und Marteria
Nur ohne Drogen! (lacht)

Sind denn die Übergänge zwischen der Privatperson Falko Luniak und der Kunstfigur Morlockk Dilemma auch fließend?
Eine diffizile Frage. Der Morlockk ist ja ein höflicher, charmanter, zuvorkommender Schweinehund – genau wie ich. Daher ­verschwimmen die Grenzen. Er spricht allerdings ganz anders als ich, schon von der Wortwahl her und er erlaubt mir die Überspitzung von Themen. So kann ich Dinge von mir geben, die ich sonst nicht vor einem Millionenpublikum sagen würde. (lacht) Im Prinzip ist es doch das alte Problem: Warum gibt man sich einen Künstlernamen? Als ich mir den Namen ausgedacht habe, war ich 16 Jahre alt und habe mir keine Gedanken gemacht. Vielleicht bin ich schizophren, jedenfalls ist Morlockk eine Überzeichnung meiner realen Person. Ich bin eben auch nur ein Mensch, der musiziert.

Nehmen wir konkret deinen Welt- und Menschenhass. Ist der real?
Ohne unbescheiden werden zu wollen: Ich glaube, ich bin meinem Stil über Jahre treu geblieben. Ich schauspielere nicht. Meine Privatperson ist daher eher unberührt und unbekannt. Wenn ich den Umbruch von der Künstler- zur Medienperson machen würde, was ja in diesem Geschäft häufiger passiert, weil Leute präsent sein wollen, könnte ich meine Privatperson nicht so geschickt verstecken. Und die Hörer würden dann auch nicht mehr denken, dass ich genauso bin wie auf meinen Alben.

Für mich ergibt sich nach drei oder vier Alben aber auch eine gewisse Berechenbarkeit. Es ist mittlerweile klar, wie Morlockk Dilemma manche Dinge sieht. Es wird schwer zu überraschen. Siehst du das als Problem?
Ich will die Welt ja auch nicht verändern. Meis­tens bestehen die Songs bei mir am Anfang nur aus einer plumpen Pointe. Es ist natürlich wichtig, dass ich teste, ob diese Pointe ankommt. Vor allem mit Hiob spreche ich mich schon deshalb häufiger ab, weil sich unsere Ideen oft gleichen. Er sitzt ja gerade an seiner LP und wir haben neulich erst festgestellt, dass mein Konzept für die anstehende EP mit Dexter einer Idee, die er hatte, auch schon sehr nahe kommt. Doch zurück zur Frage: Ich würde nie behaupten, dass ich mir nicht selbst auch widerspreche. Im einen Song verführe ich die Frau eines imaginären Gegners, im nächsten spreche ich von meinem gebrochenen Herzen. Meine Kunstfigur ist naiv und hat ein sehr einfaches Weltbild: »Warum ist alles scheiße? Es könnte doch so schön sein.« Das führt zu Verbitterung und Galgenhumor. Darin steckt vielleicht ein Stück weit das Peter-Pan-Syndrom. Musikmachen hält einen jung. Es macht mir immer noch viel Spaß und ich führe auch nicht das klassische Leben eines Endzwanzigers. Die bürgerliche Person will nicht alt werden. Auf der anderen Seite wird die Kunstfigur auch zum Ventil und sagt, was sie will.

Aber ist es wirklich nur das? Es gibt doch auch klare Überschneidungen ­zwischen Kunstfigur und Privatmann.
Das wahre Ich ist nicht so negativ, aber Realist genug, um nicht in eine Rosarote-Brille-Stimmung zu verfallen. Das wahre Ich hat viel erlebt, Menschen kennen gelernt, Menschen verloren – ob durch Enttäuschung oder Tod. Kein Text entsteht aus dem Nichts. Es gibt immer einen Impuls aus der Realität. Mit »Assiklatsche« gab es sogar einen Track, der bis zu einem bestimmten Punkt genau so abgelaufen ist wie in der Realität. Wenn sich die Platte rückwärts dreht, treffen sich Wirklichkeit und Kunstfigur. Am Ende geht es aber gar nicht immer unbedingt darum, was ich erzähle, sondern wie ich es mache. Das ist eine ästhetische Frage, da geht es um technische Raffinesse und Reimstrukturen. Seit Menschengedenken geht es in der Musik um Liebe, Schmerz, Trennung, Krieg und ein paar andere Themen – stets in anderer Form. Es ist also nur eine Frage der Perspektive.

Trotzdem wirst du als so etwas wie der Botschafter des Bösen im Rap gesehen.
Aber ich propagiere keinen Hass! Das würde das Spektrum zu sehr einschränken. Zu meiner Realität gehört Hass, aber nicht ausschließlich. Die Art, wie ich die Botschaft transportiere, führt zu dieser Annahme. Wenn ich meine Texte flüstern würde, käme diese Annahme garantiert nicht auf. Vielleicht spreche ich nicht immer über die positivsten Gefühle, natürlich spielt Zynismus bei mir eine große Rolle, aber mein Themenspektrum ist viel größer. Ein hassender Mensch ist verbohrt und gefangen. Dafür gewähren meine Texte zu große Einblicke in eine Gefühlswelt – auch wenn da immer etwas Ironie mitschwingt.

Im Song »Der Stein« geht es um Liebe.
Das meinte ich. Bei diesem Lied ist die Pointe, dass ich mit der Erwartung spiele, die an mich herangetragen wird: Morlockk wurde verletzt und sein Herz zu Stein. Aber das Thema wird dann ja in der zweiten Strophe gebrochen. Das Herz, das zum Stein wurde, liegt in einer Vitrine und stört mich beim Bumsen. So erlaube ich einen Blick in meine Gefühlswelt, aber andererseits ersticke ich diesen Ansatz auch wieder im Keim, weil ich den Blick für eine billige Pointe nutze.

Engt dieser Ansatz dich nicht auch ein?
Nein, ich kann über alles rappen. Schon auf »Omnipotenz« war ein Liebeslied – nur eben eines über die Kalaschnikow. Das ist eben meine Art, ein Liebeslied zu machen. ­Schwarzen Humor erwartet man natürlich von mir, aber so eine Erwartungshaltung gibt es bei jedem Rapper. Das ist gar nicht negativ. Ich finde es eher spannend, wenn mir ein Rapper plötzlich ein neues Kämmerchen in seinem Haus zeigt.

In »Herkunft« stellst du deine ­Heimatstadt Leipzig der ­wohlhabenden westdeutschen Stadt München ­gegenüber. Lokalpatriotismus und ­ostdeutsche Herkunft waren früher keine großen Themen bei dir…
Ich habe meine Herkunft nie verborgen. Ich weiß aber, was du meinst. Für mich ist der Lokalpatriotismus in dem Song nur Mittel zum Zweck. Das Album meint die Suche nach etwas Großem, und die Suche nach der Herkunft gehört da auch hinein. Ich habe ja außerhalb von Leipzig gewohnt, das bringt die Frage nach der Heimat mit sich. Aber der Song ist völlig überzeichnet in jede Richtung. Für einen lokalpatriotischen Song kommt Leipzig schlecht weg. Ich glaube nicht, dass das Leipziger Publikum die Fäuste in die Luft streckt, wenn ich den Song spiele. Ich denke eher, sie werden ihn mit einem verstehenden Lächeln zur Kenntnis nehmen und über das Klischee lachen. Denn so schlecht, wie ich es in dem Text beschreibe, geht es uns hier natürlich nicht, und im Westen ist ja auch nicht alles rosig. Dessen bin ich mir absolut bewusst. Es hat eher den Charakter einer Persiflage, denn diese Ost-West-Problematik spielt für mich persönlich keine Rolle.

Oft schwingt in deinen Songs eine gewisse Antipathie gegen Obrigkeit und Entscheider mit, gleichzeitig solidarisierst du dich mit der Unterschicht.
Vielleicht spiele ich damit, aber ich denke keinesfalls sozialistisch. Ich wurde ja noch im Marxismus groß, und so toll war das nicht. Wir mussten samstags noch in die Schule gehen. Ich solidarisiere mich mit keiner Bevölkerungsgruppe. Ich sage, was ich denke. Die Leute sind mir egal. Ich denke auch nicht, dass ich auf die Probleme im Osten hinweisen muss oder dass ihr da drüben keine Ahnung habt. Mir geht es um mich und mein Umfeld. Damit habe ich genug zu tun und es juckt mich daher wenig, wie es dem Typen am anderen Ende der Stadt geht. Das auch noch mal zum Lokalpatriotismus.

Inwiefern bist du von Fabeln und ­Verschwörungstheorien inspiriert?
Die Überschrift zu diesem Interview müsste lauten: »Wir machen hier nur dumme Gags.« Denn das ist es am Ende oft. Ich nehme dieses ganze Kunstding nicht so ernst und werfe mit irgendwelchen Referenzen um mich. Es gibt viele Inspirationsquellen. Der Song »Der Baum« zum Beispiel, der nach einer Fabel klingt, ist von einer Geschichte des amerikanischen Schriftstellers Kurt Vonnegut beeinflusst. Hiob und ich lesen ihn gerne. Ich sehe mich selbst in der Rolle eines Schreibenden und bekomme meine Impulse von Kleinigkeiten: die Kassiererin im Supermarkt, eine Unterhaltung im Fahrstuhl. Nur, dass ich zwei 20-Zeiler aus diesem Impuls mache und eine Hook dazwischen packe. Solange das handwerklich gut vorgetragen ist, ist es ein guter Song. Punkt. Politik oder Philosophie spielen da keine Rolle.

Du hast schon vor einigen LPs aufgehört, dich zur Rap-Szene zu äußern.
Morlockk interessieren nur wenige andere Künstler, und mit diesen Leuten habe ich Kontakt. Es gibt ja nicht mehr die eine HipHop-Szene, sondern einen ganzen Haufen Subszenen. Der Gedanke, dass man einem großen Ganzen dient, das sich Deutschrap nennt, ist verschwunden. Jeder macht, worauf er Bock hat. Es gibt viele Splitterszenen, in denen Leute an der Spitze stehen, die ihren eigenen Sound über Jahre ausgefeilt haben. Ich finde natürlich trotzdem nicht alles toll und neu. Neu ist ohnehin das Wenigste, weil meistens auch nur alte Elemente neu kombiniert werden. Rap bleibt Sprache auf Musik – egal ob mit Electro-Beats oder Schülerband. Entsprechend wird es immer schwieriger zu sagen, wer der beste Rapper in Deutschland sein soll. Die Blickwinkel gehen immer mehr auseinander. Mit Verkaufszahlen braucht ja keiner mehr zu argumentieren. Sonst bleibt Nana der beste Rapper aus Deutschland.

Wenn diese Annahme stimmt, wird es aber schwer für dich, deine Hörerschaft noch zu vergrößern.
Aber es stagniert nicht, es passiert immer etwas. Und im kosmischen Gefüge ist all das ohnehin irrelevant. Wir sollten das alles nicht so ernst nehmen. Rap ist Musik, die ökonomisch seit Jahren an Boden verloren hat. Wenn man sich über Rap den ganzen Tag Gedanken macht, ist das im kosmischen Vergleich nichtig, aber es macht natürlich Spaß und erfüllt uns. Egal wie viel Geld sie verdienen, trotzdem werden Menschen immer Musik machen und Rap wird sich weiterentwickeln. Ich bin ja auch keiner, der Rap ernsthaft für tot erklärt. Ich sehe mich nur nicht in einem Gesamtgefüge und der Gedanke einer Szene widerstrebt mir. Ich mache das nur für mich und diejenigen, die es interessiert.

Wie siehst du deine Entwicklung als Produzent?
Es gibt kein Release, über das ich sagen würde, dass ich es mir nicht mehr anhören kann. Es ist natürlich eine Weiterentwicklung zu hören. Ich würde aber nicht behaupten, dass ich das Rad neu erfinde. Je länger man dabei ist, um so feiner werden die Details, an denen man arbeiten kann. Ich bin keinesfalls ein Technik-Nerd und habe nur begrenzt Verständnis für die Maschinen, die ich benutze. Ich bin da klar ergebnisorientiert. Natürlich achte ich heute mehr darauf, wie die Beats klingen, und bei meinen Aufnahmen achte ich auch mehr auf die Qualität. Mit meinem Engineer arbeite ich schon seit acht Jahren zusammen. Er hat sich parallel zu mir weiterentwickelt. Das wirkt sich natürlich auch enorm positiv auf meinen Sound aus. Die einzige Schwäche, die man mir vorhalten kann, ist dass ich auf Golden-Era-Beats stehe.

Wie reagierst du, wenn dir deshalb ­jemand kreativen Stillstand vorwirft?
Ich spucke demjenigen ins Gesicht, weil er ein ignoranter Bastard ist. Das ist doch Blödsinn. Eine Gitarre ist doch auch jedes Mal das gleiche Scheiß-Instrument. Niemand wirft einem Gitarristen vor, dass er schon wieder eine Gitarre benutzt hat. Ich mache auch keine Old-School-Beats. Das ist einfach die Art von Instrumental, die ich für meine Texte und meine Vortragsweise für passend halte. Seit Millionen von Jahren singen Künstler von Liebe und Schmerz. Da wird doch auch keine Stagnation ausgemacht. Es geht um den Blickwinkel. Unter diesem Aspekt sind alle meine Songs verschieden. Selbst meine Battle-Tracks. (lacht)

Text: Julian Gupta

Foto: The Binh

 

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