»Du solltest dich nicht über andere Menschen stellen, nur weil du eine verfickte Louis-Tasche hast« // Kreayshawn im Interview

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Kreayshawn

Ihr erster verbriefter öffentlicher Auftritt war ein scheinbar beiläufiges Cameo in einem dieser absurden, selbstgedrehten Videos von Lil B. Der hatte mal wieder sein T-Shirt vergessen und versah einen Soulja Boy-Song mit seinen charakteristischen Adlibs, als plötzlich ein weißes Hipster-Mädchen ins Bild hineintanzte, den Blunt gereicht bekam, eine Flasche Hustensaft in die Kamera schwenkte und wieder verschwand. Freilich machte man sich erst wieder Gedanken über Kreayshawn, als sie ein paar Monate später mit ihrem eigenen Clip »Gucci Gucci« binnen weniger Wochen YouTube-Platin ging. Inzwischen hat die Weirdo-Rapperin aus Oakland eine amtliche Fanbase im Netz generiert, einen kolportierten Millionen-Dollar-Deal bei Columbia unterschrieben und gilt kurz gesagt als das ganz große nächste Ding.

Das beschriebene YouTube-Video, in dem Lil B seinen Zuschauern den »Pretty Boy Dance« zu Soulja Boys Song »Dat Piff B« nahebringen wollte, erschien Anfang 2010. Kurz darauf tauchte Kreayshawn plötzlich in den Credits zu Lil Bs »Like A Martian«– und »Stalker«-Videos auf – als Regisseurin. Das im letzten Jahr noch veröffentlichte Mixtape der Filmstudentin aus der Bay Area war allerdings sogar erklärten Fans vom Based God und den Hipstern vom »Fader«-Magazin schlicht »zu weird«. Doch mit »Gucci Gucci« schaffte sie im Frühsommer 2011 den Durchbruch. Auf musikalischer Ebene überzeugte ein subbassiges Synthie-Geschoss mit ordentlich Wobble-Bässen und Kreayshawns quäkiger Rhymestyle in bester Roxanne Shanté-Tradition. Auf visueller Ebene gaben ihr eigenwilliger Kleidungsstil und Gastauftritte von den Jungs der Odd Future Wolf Gang Kill Them All weitere Impulse. Plötzlich sprach man im Zusammenhang mit der 21-Jährigen von Millionenvorschüssen und Endorsement-Deals, obwohl die meisten – wenn überhaupt – erst einen einzigen Song von ihr kannten. JUICE-Korrespondent Jorge Peniche traf Natassia »Kreayshawn« Zolot und ihre beiden Mitstreiterinnen DJ Lil Debbie und V-Nasty vom White Girl Mob kurz nach Unterzeichnung des Columbia-Deals in Los Angeles, wo sie mittlerweile lebt.

Wer ist Kreayshawn?
Kreayshawn, das bin ich – eine Rapperin, Videoregisseurin, Designerin, Künstlerin und »Undercat« aus East Oakland in der Bay Area. Meine Crew, der White Girl Mob, besteht aus drei Charakteren: V-Nasty, sie ist unser Wildfang – ein bisschen wie Sporty Spice bei den Spice Girls. Dann gibt es DJ Lil Debbie, sie ist das reiche Modepüppchen. Und es gibt Kreayshawn – ich stehe mehr für die kreative, künstlerische Seite. Wir machen Musik primär aus Spaß, ich wollte daraus nie bewusst einen Beruf machen. Meinen Manager habe ich getroffen, weil ich für Lil B, den er ebenfalls managet, ein Video gedreht habe. Er hat mich ermutigt, diese Sache ernstzunehmen.

Wie würdest du deinen eigenen Stil beschreiben?
Ich liebe es, verschiedene Genres miteinander zu kombinieren. Meine Einflüsse reichen von E-40 über Aaliyah bis hin zu den Spice Girls. Daher auch mein Kleidungsstil – ich kann einfach alles tragen, weil es mir scheißegal ist, was andere von mir denken. Ständig sagen Leute zu mir: »So was könnte ich nie tragen, du siehst darin sogar gut aus.« Aber es geht nur um die Einstellung. Zieh den Mist einfach an und sei überzeugend dabei!

Wie war es, in East Oakland ­aufzuwachsen?
Es war spannend, weil dort sehr ­verschiedene Leute auf engstem Raum miteinander leben. Die Bay Area hat ohnehin eine sehr eigene Kultur und man lernt viele unterschiedliche Menschen kennen. ­Vielleicht bin ich deshalb auch einfach ­anders – so bin ich eben groß geworden.

Deine Mutter Elka Zolot war Teil des Punkrock-Trios The Trashwomen, das in den Neunzigern aktiv war.
Ja, deswegen hatte ich auch als Kind schon Musik um mich herum. Ich nahm Geigenstunden und so eine Scheiße. Das fühlte sich immer natürlich für mich an. Hauptsächlich habe ich als Kind aber mitbekommen, dass meine Mum unglaublich beschäftigt war und wenig Zeit für mich hatte. Heute verstehe ich das besser, weil ich das Leben als Künstlerin selbst kennen lerne. Jetzt ruft sie mich ständig an und will mir Ratschläge geben. Ich sage dann: »Mum, halt’s Maul, du hast doch keine Ahnung. Du hast seit 15 Jahren keine Musik mehr gemacht.« (lacht) Aber sie hat kein Problem damit. Trotzdem: Wenn ich eines Tages »MTV Unplugged« machen sollte, dann möchte ich sie als meine Live-Gitarristin auf der Bühne haben.

Dein erster YouTube-Hit war ein Song namens »Bumpin Bumpin«.
Ja, ich hasse den Song. Nein, ich liebe ihn eigentlich. Aber der Typ, der den Song produziert hat, und ich – wir waren ein Paar. Und als die Beziehung den Bach runter ging, innerhalb weniger Wochen, nahm der Song natürlich an Fahrt auf. Deshalb habe ich eine gemischte Beziehung zu dem Lied. Einerseits ist es schlecht, weil es mich immer an diesen Typen erinnert, andererseits hat es mir erste Aufmerksamkeit verschafft.

Der Song, der dir deinen Deal ­verschafft hat, ist allerdings »Gucci Gucci«. Was ist die Aussage dahinter?
Es geht darum, dass wir Frauen nicht irgendwelche Modelabels definieren lassen sollten, wer wir sind. Ich habe nichts dagegen, wenn ein Mädchen gerne Gucci oder Louis Vuitton trägt – es geht mir vielmehr darum, mit welcher Einstellung man diese Labels trägt. Lässt du sie cool aussehen, weil du ohnehin cool bist – oder findest du dich nur cool, weil du Designermarken trägst? Du solltest dich nicht über andere Menschen stellen, nur weil du eine verfickte Louis-Tasche hast. Oh, ich sehe gerade, du trägst auch ein bisschen Louis. (lacht) Und eine Gucci-Uhr? Ich bin beeindruckt, du trägst diese Sachen richtig, so wie es sein sollte – schön beiläufig und unauffällig. You ballin’, bro.

Du hängst mit Lil B und Odd Future herum. Es wirkt, als wenn du in der Szene schon gut connectet wärst.
Nun, für Lil B habe ich einige Videos gedreht. Left Brain von Odd Future ist ein Freund von mir. Dame Grease ist mein Paten­onkel. Neulich bin ich einmal mit Soulja Boy ­abgehangen. (lacht)

Columbia zahlt dir einen immensen Vorschuss, vorher warst du stets pleite. Wie hat sich dein Leben verändert?
Gar nicht. Jeder will einen Teil abhaben, und ich bin nicht besonders geizig, also gebe ich meinen Leuten viel ab – aber ich selbst lebe immer noch in einem staubigen, dreckigen Apartment ohne Küche. Ich sehe das entspannt. Wo dieses Geld jetzt hergekommen ist, da ist noch mehr. Ich denke, ich werde für den Rest meines Lebens genug Geld haben. Ich werde Kohle machen und sie gleichzeitig wieder raushauen wie bekloppt. Man muss frei bleiben, nicht zum Sklaven des Geldes werden. Weißt du, als Jugendliche habe ich Drogen verkauft und dadurch meine Kunst finanziert. Als ich noch bei meinem Opa lebte, musste ich einen Teil zur Miete beisteuern, und als ich in meine eigene Wohnung zog, musste ich sie selbst bezahlen. Ich habe also immer für mich gesorgt und werde das auch weiterhin tun.

Viele unken, du hättest die ganze Aufmerksamkeit wegen eines einzigen Songs überhaupt nicht verdient…
Ich denke, diese Leute müssen einfach mehr Musik von mir hören. Ich habe jede Menge Songs aufgenommen und Videos gedreht, man muss nur danach suchen. Und ich habe keinen einzigen Cent dafür bekommen, sondern diese Musik einfach nur aus Liebe gemacht. Ich wollte nie gesignt werden, habe keine Demos verschickt, nichts dergleichen. Der Deal ist mir einfach zugeflogen. Wahrscheinlich hassen mich die Leute, die unbedingt gesignt werden wollen, jetzt noch mehr. (lacht) Aber ich will einfach nur meine Geschichte erzählen. Ich bin ein komplexer Charakter mit einer komplexen Vergangenheit. Eines Tages werde ich das alles rauslassen.

Es gab harsche Kritik, dass du das N-Wort in deinen Texten benutzt.
Aber das stimmt nicht! Immer wieder wird das behauptet. Manche behaupten im Netz, ich würde es zehnmal in »Gucci Gucci« sagen. (aufgeregt) Wie bitte? Ich sage es nicht ein einziges verdammtes Mal. Die Lyrics stehen doch komplett im Netz. Ich bin mir sicher, die Leute verwechseln mich mit V-Nasty. Für sie kann ich nicht sprechen.

Wie dein erklärtes Vorbild E-40 bist du sehr gut darin, eigene Slang-Wörter zu erfinden. Kannst du uns ein aktuelles erklären?
Also, das neueste ist »BoDa«. »Bo« ist Hustensaft mit Promethazin und Codein. Nicht zu verwechseln mit »B.O.«, also »Body Odor« [Körpergeruch, Anm. d. Verf.]. (lacht) BoDa ist ein Gemisch aus Bo und Soda, das sie in Houston »Lean« nennen. Wenn ich aber »BoDa« sage, weiß in der Regel keine Sau, was ich meine – außer meine engsten Freunde.

Was macht dich glücklich?
Mit meinen Freunden abhängen, einfach nur Scheiße labern. Wenn ich mit Leuten aus der Industrie oder auch mit meiner Mutter rede, dann geht es derzeit nur ums Business, um Geld und Drama. Das ist mir auf Dauer einfach zu stressig, kein bisschen entspannt. Ich bin froh, dass wir das Signing endlich hinter uns gebracht haben, jetzt kann ich mich wieder darauf konzentrieren, künstlerisch und kreativ zu sein.

Was ist deine größte Angst?
Mit meiner Kunst zu scheitern. Doch letztlich weiß ich, dass ich selbst damit umgehen könnte. Ich könnte auch mit meinen beiden Katzen in einem Trailerpark leben, sechs Kinder zur Welt bringen und genau so ­glücklich sein.

Text: Jorge Peniche

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