Kings of HipHop: UGK // Feature

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Pimp C und Bun B kommen aus Port Arthur, Texas, machen seit jeher »Country Rap« und sind stolz darauf. Port Arthur ist eine vorwiegend afroamerikanische Küstenstadt mit etwa 60.000 Einwohnern, etwa 90 Minuten von Houston. Janis Joplin wurde hier geboren, genau wie die Pop-Art-Ikone Robert Rauschenberg. Port Arthur ist aber kein Ort, aus dem Rapper normalerweise stammen. Pimp und Bun rappen im Südstaaten-Slang und haben einen derart starken Dialekt, dass sie niemals damit gerechnet hätten, außerhalb von Port Arthur auch nur einen Fan zu begeistern. Deswegen ihr Name: Underground Kingz. Beide Typen waren schon immer riesig und beide sah man selten ohne eine oder gleich mehrere Ketten um den Hals. Sie waren auch schon immer schlauer, als man es ihnen zugetraut hätte. Wären sie in einer anderen Umgebung und in einer anderen Zeit geboren, hätten sie vielleicht eher über Politik und Literatur gerappt als über Nutten und Kilos.

Guter Cop, böser Cop
Eigentlich sahen die zwei auch schon immer sehr nett aus, wenn sie lächelten. Aber meistens versuchten sie, hart auszusehen. Bun B gab den guten Cop, der mit einschüchternder, aber fairer Präsenz jedem einigermaßen gut ins Gewissen reden konnte. Am Mikrofon sorgt seine Delivery für Ordnung, sein Style ist zurückgelehnt und mit dicker Farbe überzogen: »Take a look at the bigger nigga/Malt liquor swigger playa hater ditch digger/Figure my hair trigger/Give a hot one to your liver.« Bun B wurde als Bernard Freeman geboren, sein Künstlername stammt von einem Spitznamen, den ihm seine Familie gab: »Bunny«. Dieses Häschen ist entwaffnend ehrlich und für einen Zwei-Meter-Mann mit mindestens einer Goldkette überraschend bescheiden: »Ich wusste immer, dass ich ganz okay rappe, aber sogar als wir einen Plattenvertrag bekamen, dachte ich wirklich nicht, dass ich ein besonders guter Rapper wäre.«

Pimp C auf der anderen Seite war immer der böse Cop. Ein leicht reizbarer Provokateur mit schriller Stimme, der einem genauso schnell eins in die Fresse hauen könnte wie einen Song über Liebe ins Ohr säuseln. Pimp ist unwiderstehlich, weil man nie weiß, was er als nächstes bringt: »Bet it feel funny when ya doin’ 69/Knowing that ya sippin’ on all my jimmy wine«, dennoch gibt er immer wieder zu verstehen, dass Bun der einzig wahre Lyricist im Team ist. Würde man jedoch Bun nach Pimps Stellung im Duo fragen, würde er ihm den Großteil der UGK-Arbeit zusprechen. Pimp rappt nicht nur, er singt viele Hooks und produziert einen Großteil der Songs.

Pimp wurde nicht mit einem Fellmantel, großem Ring am kleinen Finger und den Ladys unter sich geboren. Vielmehr ließ er sich seinen Künstlernamen als Brille tragender Langweiler und Blaskapellen-Fan einfallen. Chad Butler war der Sohn eines Trompetenspielers und probierte in seiner Kindheit und Jugend so ziemlich jedes Instrument aus, das es gab: Klavier, Schlagzeug, Trompete, Flügelhorn – den ganzen Kram halt. Er versuchte sich an all diesen Dingen, noch bevor er überhaupt das Notenlesen in der Schule lernte. In einem Interview erklärte er einmal in seiner typisch dreckigen Eloquenz: »Ich habe einen klassischen Background. In meiner Kindheit habe ich italienische Arien, afroamerikanische Gospel-Songs und so einen Scheiß singen müssen.« Nach der Trennung seiner Eltern durfte Pimp immer zweimal Weihnachten feiern und bekam Drumcomputer, Vierspurgeräte und Keyboards en masse geschenkt.

Er baute selbst Beats und versuchte darüber wie Run DMC zu rappen – eine Form von Musik, die seinem Stiefvater ganz und gar nicht gefiel. Er war Musiklehrer und sagte immer wieder: »Dieser Rap-Mist ist nichts als Krach. Versuch doch mal, den Scheiß ein wenig musikalischer zu machen, dann könntest du wenigstens ein bisschen Kohle damit verdienen.« Pimp nahm sich diese Ansage sehr zu Herzen – UGK wurden vor allem aufgrund ihrer tief im Blues verwurzelten Songstrukturen, triumphalen Kirchenorgeln, dickem Funk und kernigem Soul bekannt. Pimp machte den Scheiß ein wenig musikalischer, ersetzte dabei das Kick & Snare-Schema von Run DMC durch Handclaps, 808s und seine charakteristischen Hi-Hats. Tatsächlich avancierte er so zum vielleicht besten Produzenten, den der Süden bis dahin je gesehen hatte. Gut, darüber kann man streiten. Darüber, dass er eine der verrücktesten und leider auch tragischsten Figuren des Genres wurde, leider nicht.

Auch Bun B war ein Scheidungskind. Sein Vater zog nach der Trennung in den Südwesten von Houston, wo ihn Bun und Pimp immer wieder besuchten. Sie hatten sich in der High School mit ein paar Freunden zu einer Gruppe namens 4BM zusammengeschlossen. Weil es die Kumpels jedoch nicht ernst nahmen, wurde aus diesen »4 Black Ministers« recht schnell das Duo UGK. Auf ihren Trips nach Houston verbrachten Bun und Pimp ihre Zeit in Juweliergeschäften und Plattenläden. Die goldenen Ringe und Ketten wurden bestaunt, über Platten wurde gesprochen. Im »King’s Flea Market« kamen sie ins Gespräch mit dem Besitzer Russell Washington.

Er war auf der Suche nach einem Act für sein eigenes kleines Label. Das Demo, das ihm die zwei Burschen aus Port Arthur zusteckten, gefiel ihm. Er nahm sie unter Vertrag. Die Underground Kingz hatten einen Deal. Die Realität sah selbstredend weit weniger glorreich aus. Bun zog nach Houston und arbeitete vorwiegend in Russells Plattenladen. Weil das Geld für die Pressung einer eigenen Platte fehlte, entschieden sich Bun und Pimp dazu, mit dem Verkauf von Crack das nötige Kleingeld zu verdienen. Bald war nicht nur die Pressung bezahlt, sondern auch ein Lifestyle an der Tagesordnung, der ihnen ausreichend Stoff für die Ticker-Storys on wax lieferte.

Ihre Debüt-EP »The Southern Way« schaffte es 1988 vor allem aufgrund der Single »Tell Me Something Good« in die Radiostationen Houstons. Durch die Unterstützung des mächtigen Indie-Vertriebs Southwest Wholesale setzten UGK zehntausende Einheiten der Platte ab. Und auf einmal waren auch die Majors an den Underground Kingz interessiert. Jive schlug zu und veröffentlich­te die Tracks der EP mit einigen neuen Stücken als Debütalbum »Too Hard To Swallow« im Jahr 1992 neu. Dabei waren einige Songs bereits seit vier Jahren auf den Straßen von Houston und Umgebung erhältlich. Ein Track – »Pocket Full Of Stones« – stach mit einem tieftraurigen Horn-Sample und den Dealer-Erinnerungen der Protagonisten heraus. Das gleiche Sample hatte bereits LL Cool J auf seinem Song »Going Back To Cali« benutzt. Nur hier ging es um Businesspläne und den steinigen Weg an die Spitze des Dope-Games im dreckigen Süden. Bun B: »Business boomin’ daily, the product sellin’ fast. Me and my nigga C is makin’ money out the ass.« Schon zu Beginn konzentrierte sich Pimp auf die weitaus explizitere Wortwahl: »They used to run up sayin’ ‘Pimp C what ya know?’/I tell ’em get this crack and get the fuck away from me, hoe!« (Die anteilige Bezahlung in körperlicher ­Zuneigung lehnte er dennoch nicht ab.)

Menace II Society

Ihre schonungslose Beschreibung der Realität in filmreifen Kurzgeschichten rief die Filmindustrie auf den Plan: UGK platzierten Songs auf den Soundtracks zweier Filme der Wayans-Brüder (»A Low Down Dirty Shame« und »Don’t Be A ­Menace«), »Pocket Full Of Stones« landete zwischen MC Eiht, Spice 1, Too $hort, BDP, Brand Nubian und DJ Quik als einziger Act aus dem Süden auf dem »Menace II Society«-Soundtrack. Der Underground-Film der Kingz avancierte langsam aber sicher zumindest im aufstrebenden HipHop-Genre zum Mainstream.

Beide Folgealben gerierten sich in Folge als grundsolide Houston-Essentials, die beide auf ihre eigene Weise das Phänomen UGK auf Platte manifestierten. »Super Tight« (1994) stilisierte den gefährlichen Trashtalk auf Pimps Retro-Kompositionen zur Religion. Zwei Jahre später folgte mit »Ridin’ Dirty« das Klassikeralbum, durchzogen von diesem straßenstaubigen Realismus über den kurzen Weg zwischen Gutter-Leben und ­Gitterstäben. Auf »One Day«, dem Südstaaten-Update von Nas’ »Life’s A Bitch«, rappt Bun: »My brother been in the pen for damn near ten/But now it looks like when he come out, man/I’m goin’ in/So shit, I walk around with my mind blown in my own fuckin’ zone/’Cause one day you here, the next day you gone.«

»Ridin’ Dirty« knackte die Top 15 der Billboard-Charts – als erstes UGK-Album. Damit einher ging eine Popularisierung einer Spracheigenheit, wie man sie aus Texas kannte: die langgezogenen Vokale, die aus »ball« ein breitgetretenes »bawwwwwl« machen. Dazu etablierten UGK ein ganz eigenes Trademark-Adjektiv: »trill«, eine Kombination aus »true« und »real«. Die Mischung aus Slang und eigenen Vokabeln verströmte einen Lokalstolz, der bald zum Standard unter texanischen Rappern wurde. Chamillionaires Hymne »Ridin’«, die nicht nur etliche Verkaufsrekorde brach, sondern 2006 auch mit einem Grammy ausgezeichnet wurde, bezieht sich direkt auf Albumtitel und UGK-Vokabeln. Auch die äußerst erfolgreichen Karrieren von Slim Thug und Paul Wall wurden erst durch die Basisarbeit von UGK möglich gemacht.

Paul Wall merkte einmal an: »Ein Großteil der Leute denkt bei den Geto Boys nicht sofort an Texas oder Houston. Bei UGK ist das anders. Sie haben immer die Fahne für Texas hochgehalten.« Dieser Lokalpatriotismus half der ansässigen Auto- und Drogen-Kultur sowie dem Chopped & Screwed-Phänomen fundamental bei der Etablierung im Mainstream. Der Song »3 In The Morning« beschreibt etwa auf DJ Screws trüben Melodien einen dieser schwindeligen Drogentrips zwischen »comin’ down real shiny like candy paint« und »leanin’ off the dank«.

Kurz vor der Veröffentlichung von »Ridin’ Dirty« besuchten Pimp und Bun Screws Studio und ­nahmen mit ihm und seiner S.U.C.-Crew auf. Dabei drehten sie zu flaschenweise »Drank« aus Screws Kühlschrank die eigenen Songs und etwa Biggies »Juicy« durch den Sizzurp-Wolf. Bun erinnert sich: »Da hing halt ein Mikro und das haben wir durchgereicht. Wir haben uns keine Gedanken gemacht, was wir auf dem Tape machen wollen. Es ging uns nur darum, Spaß zu haben.«

Für einige Kritiker bleibt »Ridin’ Dirty« das Dirty South-Vorzeigealbum für Leute, die den Dirty South nicht ausstehen können. »Lange bevor das große Übel des verkommerzialisierten Tut-keinem-weh-HipHops den Südstaaten-Rap (und schließlich HipHop überhaupt) kidnappte und in die schlimmste Musik seit Menschengedenken verwandelte, zauberten UGK einen warmen, organischen Sound, bei dem aus allen Ecken und Enden tiefster Soul und Funk tropfte, der wie nichts anderes klang, was davor war. Dieser Sound war fresh, er war funky, er war der Süden«, schrieb der Blogger »The Good Doctor Zeus« zu Pimp Cs Tod 2007 zumindest halb im Scherz.

Aus Kritik machten sich UGK freilich überhaupt nichts. Pimp war zeitlebens überzeugt davon, dass der Norden sich für sie nicht interessiere. Wieso sollte er sich also einen Kopf um ihn machen? »Ich war immer ein großer KRS-One-Fan. Bis der Herr einmal sagte: ‘Der Scheiß, der da unten abgeht, ist kein richtiger HipHop. Wenn du nicht aus New York bist, machst du keinen richtigen HipHop.’«, erklärte er einmal in einem Interview. »Keine Ahnung, ob er das genau so gesagt hat, aber irgendwann hatte ich genau dieses Gefühl!«

Bun fühlte sich immer eher Westcoast-Typen wie E-40, DJ Quik und Cypress Hill nahe, Pimp selbst schaute zu Oaklands Too $hort und Comptons Dr. Dre auf – beides Gangster, die für ihre satten, im P-Funk geerdeten Kompositionen bekannt waren. Wie so viele MCs aus dem Süden zogen sie ihre Einflüsse nicht aus der Ost-, sondern viel eher der Westküste, die sie für eine Brutstätte kompromissloser Innovatoren hielten. (Die Seelenverwandtschaft von Künstlern aus dem Süden und von der Westküste lässt sich wahrscheinlich darauf zurückführen, dass viele Afroamerikaner in Kalifornien nur wenige Generationen davor aus dem Süden in den Westen zogen.) Natürlich beeindruckten Pimp und Bun besonders Too $horts regional erfolgreiche Markenarbeit. $hort und andere Oakland-Rapper machten Musik für ihre Heimatstadt, verkauften sie dort direkt an die Hörer und unterhielten so eine solide und vor allem loyale Fan-Basis. »Wir haben uns auf jeden Fall einiges von der Musikszene Oaklands abgeschaut«, erklärte Pimp einmal im »Murder Dog«-Magazin. »Statt einfach nur zu versuchen, Rap zu machen wie die Leute aus New York, konnten wir ja auch gleich Texas-Rap machen für all unsere Motherfucker aus Texas.

Tief im Lokalpatriotismus schwelgend dürfte es für UGK eher überraschend gekommen sein, als sie Jay-Z einlud, auf seinem Song »Big Pimpin’«, für den Timbaland eine ägyptische Flöte samplete und Hype Williams auf dem Karneval von Trinidad ein mehrere Millionen Dollar-Video drehte, zu rappen. Tatsächlich fühlte sich das Duo ein wenig fehl am Platz – der Song war den Untergrundkönigen etwas zu soft. Dennoch sagten sie zu. Der Top 20-Einsteiger wurde zum größten Hit ihrer Karriere. Im gleichen Jahr tauchten UGK auch auf dem äußerst erfolgreichen Track »Sippin’ On Some Syrup« der Three 6 Mafia aus Memphis auf. Sowohl Three 6 Mafia als auch Jay-Z verschafften sich mit der Verpflichtung von UGK nicht nur neue Fans, sondern auch einen Fuß in der Tür zum riesigen Potenzial des texanischen Marktes.

UGK hingegen blieb vorerst die umfassende Erfolgsgeschichte verwehrt. Ihr Nachfolgealbum »Dirty Money« lag fünf Jahre lang brach. Das Momentum war eingeschlafen. Bun B machte die Plattenfirma Jive für den Verzug verantwortlich. Der angebliche Grund: Jive habe die Platte inhaltlich in eine neue Richtung lenken wollen. Bun: »Die wollten uns auf die Kommerz-Schiene bringen – so wie auf ‘Big Pimpin’. Die wollten uns Beats von Timbaland besorgen, dabei brauchten wir überhaupt keine externen Leute. Wir hatten ja schon einen Produzenten, der großartige Musik machte.«

Dirty Money
Letztendlich ging »Dirty Money« schonungslos unter. Nicht nur das. UGK hatten mittlerweile ganz andere Probleme. 2000 sorgte Pimp C für einen folgenschweren Tumult in einem Kaufhaus. Beim Shopping wusste er sich gegen allzu aufdringliche Fans nur noch mit dem Herumwedeln seiner Knarre zu wehren. Besonders ein zurückgewiesener Fan missverstand diese Drohgebärde. Pimp C wurde daraufhin wegen schwerer Körperverletzung verurteilt. Eine tatsächliche tätliche Auseinandersetzung hatte es zwar nicht gegeben, aber Pimp wurde dennoch zu Sozialstunden und einer ordentlichen Bewährung verdonnert. Zeitlebens war Pimp davon überzeugt, dass das Gericht diesen Vorfall nur als Anlass nahm, um ihm wegen seiner Verbindung zum berüchtigten Rap-A-Lot Records-Chef J. Prince ans Bein zu pissen. J. Prince war jahrelang auf der Liste der Justiz wegen angeblicher Verbindungen zu illegalen Drogenkartellen und Geldwäscherei im ganz großen Stil. Nachweisen konnte man ihm nie etwas. Obwohl es keine formelle Verbindung zum Label gab, war Prince für Pimp ein Teil der Familie. (Prince releasete später ganz familiär eine Kollektion von Pimp C-Solotracks.) Die Strafe jedenfalls – Sozialstunden für die Stadt Houston – erkannte Pimp nicht an. Er wanderte zwei Jahre später wegen Verstoßes gegen seine Bewährungsauflagen in den Knast. Man gab ihm acht Jahre.

Eine Entscheidung, die Bun den Boden unter den Füßen wegzog. Er war davon überzeugt, dass Pimps Fehltritt alles zunichte machte, was sie sich in all den Jahren aufgebaut hatten. Er begann zu trinken und alles und jeden – gerne auch im härteren Tonfall – in Frage zu stellen. »Zu der Zeit wollte niemand mit mir etwas zu tun haben. Ich habe meine Frustration einfach an den komplett falschen Stellen herausgelassen«, beschrieb Bun einmal diesen Tiefpunkt. Es alleine zu schaffen, schien ihm unmöglich. Letzten Endes war für Bun Pimp C immer die treibende Kraft bei UGK gewesen. Er war davon überzeugt, dass er alleine nie etwas auf die Reihe bekommen hätte.

Das sollte sich bald ändern. Bun wurde sich der prekären Situation bewusst und erkannte, dass nicht nur sein eigenes Schicksal, sondern auch das Vermächtnis von UGK in seinen Händen lag. Im JUICE-Interview erzählte Bun in der Rückschau: »Ich musste das Schicksal von UGK auf meine Schultern nehmen, ich hatte ja keine andere Wahl.« Zurück bei Sinnen unterschrieb Bun B einen Solo-Vertrag bei Rap-A-Lot und veröffentlichte 2005 sein gefeiertes Debütalbum »Trill«. Mit neuer Energie avancierte Bun zum Ehrenbotschafter für Rap aus dem Süden und kollaborierte mit jedem, der ihm die Möglichkeit gab, seinen und natürlich den Namen Pimp C in einen 16er zu packen.

Mit dem Spruch »Free Pimp C« ging er landauf, landab hausieren und erklärte mit zunehmender Vehemenz, dass die Strafe für seinen Partner überzogen und willkürlich verhängt wurde. Bun wurde zum personifizierten Marketing- und Merchandise-Unternehmen für das Duo UGK. Dafür öffnete er sich der Presse auf eine Art und Weise, wie es nur wenige Rapper vor ihm taten. Weltweit handelt man ihn – wegen seiner Offenheit und Direktheit – als einen der besten Interviewpartner überhaupt.

Den Großteil seiner vier Jahre hinter Gittern verbrachte Pimp C damit, Texte zu schreiben und Beats zu bauen – soweit es ihm mit dem spärlich zur Verfügung stehenden Equipment eben möglich war. So trug er tausende unfertige Songs und Skizzen zusammen. Von der unermüdlichen Arbeit, die Bun für ihn und UGK während seiner Abwesenheit leistete, hatte er kaum etwas mitbekommen. Gegenüber JUICE äußerte er sich einmal überwältigt von Buns Einsatz: »Als ich rauskam und die Dimension der ganzen ‘Free Pimp C’-Bewegung erkannte, war das wie eine Neugeburt. It made my heart beat again.« Bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis hatte sich eine solche Nachfrage nach Musik von UGK angestaut, dass ihr Doppelalbum »Underground Kingz« 2007 fulminant an die Spitze der Charts schoss. Auf der ergreifenden Zurschaustellung einer beeindruckenden Allstar-Riege kamen Kollegen aus der Gegenwart wie Jazze Pha, Scarface und Lil Jon sowie Helden aus der Vergangenheit wie Too $hort und Big Daddy Kane zusammen. Die Gospel-getränkte Single »International Players Anthem« holte nicht nur Outkasts Andre 3000 aus seinem Rap-Winterschlaf, sondern brachte die Bagage sogar zur Grammy-Nominierung.

Dennoch war bei weitem nicht alles nur Friede, Freude, Eierkuchen. Auf »Quit Hatin’ The South« äußerten UGK und Geto Boys’ Willie D einige Befindlichkeiten über die Stellung von Rap aus den Südstaaten. Während Bun sich diplomatisch gab – »Got a lot of respect for the ones before me/But when my time came they act like they ain’t know me« –, machte Pimp seiner Frustration ordentlich Luft: »Y’all niggas on y’all period up there, bitch! They’ll put all y’all records on one side of the store. And put all the country rap music on the other side of the store. And see who sell out first, bitch ass nigga!«

Die meisten hätten sich in Pimps Situation wohl über die neue Freiheit und den enormen Erfolg gefreut, doch Pimp ließ seinen Launen immer mehr freien Lauf – nicht nur in Songs wie »Quit Hatin’ The South«, sondern auch in der Presse. Das Editorial, das er für das »Ozone«-Magazin verfasste, ist legendär. Der Sermon wurde zur gemeinen wie paranoiden Hetzpredigt gegen jeden, der ihm gerade einfiel. Lil’ Troy sei ein Verräter, Mike Jones und Lil’ Flip seien mit peinlichem Schmuck (»monkey shit«) behangen und all die Deppen in ihren schicken Anzugen wären ohnehin schwul (Russell Simmons und Ne-Yo vom »dick-in-the-booty«-Typ). Er dagegen wäre natürlich von einem ganz anderen Schlag: »My skin is pretty. My toes are pretty. I’m a young funky wild boy and I’m a sexy young motherfucker«, schrieb er dort. Zudem behauptete er noch, dass Atlanta gar nicht zum Süden gehöre, weil sie ihre Uhren nach der Ostküsten-Zeit stellen.

Vielleicht bewegte er sich nur am Rande des gesunden Menschenverstandes, wie so viele Genies vor ihm, vielleicht hatten aber auch all die Jahre hedonistischen Lifestyles und ­ausufernden Drogenkonsums seinen Tribut gefordert. Wie dem auch sei: Nur zwei Jahre nach seiner ­Entlassung aus dem Gefängnis fand man Pimp C im ­Dezember 2007 tot in einem Hotelzimmer in Los Angeles. Mit im Raum: eine halbvolle Flasche codeinhaltiger Hustensaft und zwei ­verschreibungspflichtige Medikamente – eines gegen Angstattacken und eines gegen Herpes. Obwohl sofort Gerüchte laut wurden, es handele sich um Selbstmord, bestätigte eine Autopsie, dass Chad »Pimp C« Butler an einer Überdosis »Drank« in Verbindung mit einem Schlafapnoe-Syndrom verstarb. Das Getränk lähmte seine von der ­Krankheit ohnehin schon geschwächte Atem­fähigkeit und tötete ihn leise im Schlaf. (Seine 130 Kilo trugen sicher auch ihren Teil zum tragischen Tod bei.)

Bun traf die Nachricht von Pimp Cs Tod wie ein Schlag. Er hielt seinen Freund nie für besonders wild oder instabil: »Natürlich hat er sein Leben ­genossen, aber ich würde nicht sagen, dass er es wilder getrieben hat als alle anderen.« Dennoch gab Bun nach dem tragischen Verlust zu, dass sich ihr spät eingetretener Ruhm auch in einem ­gewissen Rockstar-Leben niederschlug. »Wir wurden etliche Jahre nicht an den Kuchen ­herangelassen. Als wir dann endlich den Zutritt hatten, wollten wir eben so viel abgreifen wie möglich.«

Auf der von sehr vielen Menschen besuchten öffentlichen Trauerfeier für Pimp C schloss der anwesende Pfarrer vor den berühmtesten Vertretern der Rap-Szene Houstons seine Grabrede mit den Worten: »It’s hard out there for a pimp, but there’s hope in Christ.« Bun hingegen wählte für seine Grabrede einen Auszug aus den mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Memoiren der Schriftstellerin Joan Didion: »It helps you understand that grief is something that everyone goes through. And you’re not expected to handle it as gracefully as we would all like to.« Kurz darauf begann Bun seine Tätigkeit als Assistenzprofessor an der Rice University in Houston in den Fächern Religion und HipHop – so komisch wie passend.

Mit seinem Tod wurde Pimp C berühmter als jemals zu seinen Lebzeiten. Ausschweifende Nachrufe und permanente TMZ-Updates über die Autopsie und seine Beerdigung stilisierten den Pimp zum Popstar – zumindest für den Moment. Gepasst hat es natürlich nicht. Der Mainstream, der ihn für 15 Minuten so überschwänglich betrauerte, war mit seiner Liebe ein wenig spät gekommen. Vielleicht wäre es Pimp C besser gegangen, wenn er für immer ein Underground King geblieben wäre.

Text: Ben Westhoff
Übersetzung: Alex Engelen

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