»Jetzt ist erstmal Schicht mit Rap.« // Curse im Interview

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Vor zehn Jahren hat ein MC aus der ostwestfälischen Kleinstadt Minden mit seinem ­Debütalbum »Feuerwasser« das Spiel nachhaltig verändert. Auf der diesem Heft beiliegenden JUICE Exclusive EP ­»20Feuerwasser10« zum zehnjährigen Jubiläum seines legendären Einstands übergibt Curse seine Anteile am Spiel offiziell an die nachfolgende, junge Generation von HipHop-Künstlern. Doch Curse verlässt das Rap-Game nicht, ohne ein letztes Mal seine unbestreitbaren Skills am Mic zu demonstrieren, und zwar auf alten BoomBap-Brettern von Busy und Lord Scan, die seinerzeit auch auf »Feuerwasser« hätten landen können. Ein Gespräch mit einem der besten deutschen MCs, der sich in nächster Zeit vor allem in anderen künstlerischen Ausdrucksformen erproben will.

Wie entstand die Idee zur JUICE-EP?
Ich hatte zu Hause die alten Beat-Tapes aus »Feuerwasser«-Zeiten ausgebuddelt und die Idee ­bekommen, irgendwas damit zu machen – ein Mixtape oder eine EP. Da ich die EP von Kool Savas sehr geil fand, bin ich auf die Idee gekommen, dass man das in Zusammenarbeit mit der JUICE machen könnte. Wir fanden die Idee einfach geil, auch weil das Erscheinungsdatum von »Feuerwasser« fast auf die Woche genau zehn Jahre her ist.

Ich nehme an, du hast dich dann erstmal mit Busy unterhalten.
Genau. Und er hat sich dafür die Zeit genommen, obwohl er gerade nur Top 10-Hits mastert. Busy hatte nur eine Bedingung: Wir müssen »Sonnenwende 2010« machen. (lacht) Ich bin also mit einer Tasche voller alter Kassetten zu ihm gefahren, und er hat auch noch mal alles rausgekramt, was er über die Jahre gehortet hatte. Dann habe ich Lord Scan angerufen. Ich hatte eigentlich vor, auch noch was mit Iman zu machen, aber habe mich dann darauf beschränkt, mit Busy und Scan zu arbeiten. Mit ihnen habe ich seit Jahren nicht mehr in der Form zusammengearbeitet, der letzte Beat von Busy war auf »Innere Sicherheit«.

Du sagst in »Spucksprüche«, dass es damals eine Konkurrenz zwischen Scan und Busy gab.
Ach, das war nur freundschaftlich. Die Jungs haben halt komplett verschiedene Styles und Herangehensweisen. Scan war immer der verrückte Typ aus ­Minden, ein ganz anderer Charakter als Busy, der in Bad Oeynhausen seinen Mastering-Keller hatte. Scan hat manchmal so was gesagt wie: »Ach Busy, das klingt alles immer so clean.« Und Busy meinte: »Die Beats vom Scan kannst du nicht mischen.« Wenn ich dann mit einem Scan-Beat ankam, meinte Busy: »Hättest auch einen von mir nehmen können.« Umgekehrt genauso. Am Ende des Tages haben sie sich aber gegenseitig schon sehr respektiert.

Nach welchen Kriterien habt ihr die Beats ­ausgewählt?
Ich habe lustigerweise nur Beats genommen, die ich mir damals schon ausgesucht hatte. Diese Beats ­waren tatsächlich auf den Original-Kassetten, wo auch die Beats drauf waren, die es dann auf ­»Feuerwasser« geschafft haben. »Spucksprüche« war auf demselben Tape wie »Weserwasser«, und zu dem Beat von »Opium« hatte ich schon vor elf Jahren eine Idee zu einem Song mit diesem Titel. Diese Beats wären durch eine kleine Verschiebung des Schicksals auch auf »Feuerwasser« gelandet.

Ist der Style dieser Beats, die zwischen 1997 und 1999 entstanden sind, denn immer noch fresh?
Na klar. Ich habe mir ja schon immer eher zeitlose Beats ausgesucht. Wir sind da auch nicht mit dem Anspruch rangegangen, dass das wie eine Highclass-Produktion von 2010 klingen muss. Immerhin ­machen wir hier »Zehn Jahre Feuerwasser«, also wird das bitteschön auch ruff, rugged and raw. Eigentlich hat ja keiner mehr solche Beats. Damals haben Premo oder Pete Rock die Standards gesetzt, Scan war von Wu-Tang und Mobb Deep beeinflusst und Busy war von Easy Mo Bee, EPMD oder Teddy Riley inspiriert. Heute sind die Produzenten eben von anderen Sachen inspiriert, die sie jeden Tag hören.

Du hast keine Features auf der EP, obwohl du einige Features auf “Feuerwasser” hattest.
Ich hätte sehr gerne was mit Reno, Germany und Scan gemacht, aber die Jungs haben seit Monaten, teilweise Jahren nichts mehr aufgenommen. Ich hatte schon für »Freiheit« geplant, was mit ihnen zu machen. Aber die Jungs haben Family und da hat Rap einfach keine Priorität.

 

 

Im Gegensatz zu den deepen Songs deiner Alben gibt es auf der EP auch mal wieder ein bisschen klassische Angeberei.
Ich habe neulich einen lustigen Twitter-Spruch von Prinz Pi gelesen, der lautete: »Zweimal Curse ist Doppelmoral, zweimal Pi ist Pipi.« Ich fand das sehr schön. Aber da merkt man wieder mal, dass manche Leute scheinbar denken, dass ich den ganzen Tag mit erhobenem Zeigefinger rumlaufe und sogar beim Furzen noch ein Stück Knowledge rauskommt. Ich habe schon hundertmal gesagt, dass es mich sehr ehrt, wenn die Leute mich für so einen ­weisen Mann halten. Die haben natürlich auch alle recht. (lacht) Aber es gibt auch andere Seiten an mir, die ich in meiner Musik nicht so rauslasse. Schon zu »Wahre Liebe«-Zeiten haben mich manche ernsthaft gefragt, ob ich eigentlich immer so schlecht drauf bin. Und ich habe schon damals gesagt, dass ich halt nicht unbedingt einen Song darüber schreiben muss, wenn ich auf meinem Balkon sitze, ein Steak grille und mit einem Kumpel ein paar Bier trinke. Außerdem inspirieren mich deepe Beats einfach mehr zu schreiben. Das ist nun mal die Art, wie ich Musik mache. Meistens!

Diesmal war es aber offenbar anders.
Ja. Ich hatte einfach Bock, ein bisschen zu rappen. Fertig, aus. Ich habe einfach das umgesetzt, wonach mir gerade der Sinn stand. Ich will jetzt nicht auf Jay-Z machen, aber ich bin in die Kabine gegangen und habe mich einfach vom Beat inspirieren lassen.

Im Interlude treffen sich zwei Curse-Fans, die generell früher alles besser fanden. Ich finde es immer bezeichnend, wenn man HipHop pauschal verurteilt, sich aber 2002 die letzte Platte gekauft hat.
Klar. Ich höre ja auch nicht mehr den ganzen Tag Rapmusik. Aber es gibt viele gute neue Sachen, und manche davon feiere ich richtig ab! Man muss einfach nur danach suchen. Ich habe mich auch lange mit Harris darüber unterhalten, der in seiner Radiosendung »Der Patriot« immer viel geiles Zeug ausbuddelt. Die meisten geben sich den Aufstand nicht und meckern dann rum. Aber auch mir sagen viele Sachen nichts mehr, ich bin mit anderer Mucke aufgewachsen. Deswegen habe ich ja auch extra das Demo von ’93 draufgepackt. Das ist 17 Jahre her, einige JUICE-Leser waren da noch nicht mal auf der Welt. Diese Relation muss man einfach mal sehen.

Warst du immer offen für andere Genres?
Nein. Ich war früher der totale HipHop-Nazi und nur auf Queensbridge, De La Soul war für mich schon weak. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ich mich eingeschränkt und vieles verpasst habe. Ich hole gerade die letzten 25 Jahre Musikgeschichte nach. Ich habe früher zum Beispiel Nirvana wie die Pest gehasst. Dabei war das extrem geile Mucke.

Wie erinnerst du dich an die Zeit, in der du das Demo aufgenommen hast?
Ich habe mich damals mit deutschem Rap überhaupt nicht beschäftigt. Advanced Chemistry, Fanta 4 oder Fresh Familee hat man zwar mitbekommen, aber ich habe das musikalisch nicht gefeiert. Ich habe nur nach Amerika geschaut. Busys und mein erklärtes Ziel war es, große Karriere in Amerika zu machen. Deswegen habe ich auf Englisch gerappt und mein Demo auch nie in Deutschland verteilt, sondern zu Sony oder Def Jam nach Amerika geschickt. Da wollten wir hin! Als Busy mich mit 14 Jahren in die Großraumdissen mitgenommen hat, habe ich bei allen Freestyle-Sessions auf Englisch gerappt und wollte immer die Ami-GIs plattmachen. Das war mein Film, und das hört man auch auf dem Demo.

Too Strong haben mir erzählt, dass sie sich noch genau an dieses schwarzgelbe Tape erinnern, das du ihnen gegeben hast.
Ja, das war das gleiche Demo, dass ich Fast Forward und Scope gegeben habe. Soweit ich mich erinnere, habe ich von Too Strong damals kein Feedback bekommen. (lacht) Der Erste, der drauf angesprungen ist, war Fast Forward. Als ich danach in die USA gezogen bin, hat er mit mir Kontakt gehalten. Aber als ich dann dort war, haben mir alle gesagt, dass ich doch lieber auf Deutsch rappen sollte. Dadurch hat sich bei mir im Kopf die Vorstellung gefestigt, künftig in meiner eigenen Sprache zu rappen.

 

 

Wie siehst du »Feuerwasser« rückblickend?
Es ist ein sehr gespaltenes Album. Auf der einen Seite hast du einen Song wie »Entwicklungshilfe« und auf der anderen Seite einen wie »Kasperklatsche«. Das lag aber auch daran, dass ich die eine Hälfte aufgenommen habe, als ich noch von morgens bis abends wie ein Schlot gekifft und 80 Kilo gewogen habe, und die andere Hälfte, als ich fünf Tage die Woche beim Sport war, mich gesund ernährt und mit dem Kiffen aufgehört habe. Die Zeit von »Feuerwasser« war einer der größten Wendepunkte in meinem Leben. Ich hatte endlich den Schritt gemacht: Ich mache jetzt ein Album auf Jive Records, dem Label von KRS-One, Bitch! Und ich wollte alles auf einem Album machen. Asi-Songs, Player-Songs, deepe Songs… Wenn ich mir das heute anhöre, dann würde ich ganz arrogant sagen, dass ich ein ungeschliffener Rohdiamant war.

Wie erinnerst du dich konkret an die Aufnahmen?
Wir hatten immer Spaß im Studio, weil wir immer ­besoffen waren. Gleichzeitig war es aber auch extrem unentspannt, weil so eine extreme Last auf uns lag. Wenn ich zurückdenke, dann denke ich an Regen, grauen Himmel, mit Army-Parka im Keller sitzen. Aber es war auch geil, als ich zum Beispiel »Entwicklungshilfe”«schrieb. Darauf habe ich so krasse Reaktionen bekommen, dass ich mit “Wahre Liebe” direkt nachgelegt habe. Ich merkte, dass sich Menschen damit identifizieren können. Das war der Moment, in dem bei mir der Knoten geplatzt ist.

Gibt es lustige Anekdoten aus der Zeit?
J-Luv war das erste Mal bei mir und brachte Azad mit, die haben bei mir auf dem Fußboden gepennt. Auch Tone und Feedback waren da, und Tone hat zum ersten Mal Sushi gegessen. Da gab es auch Aal-Sushi, also haben wir den ganzen Tag nur Aal-Witze ­gemacht. Das zog sich durch die ganze Albumproduktion. Ich erinnere mich ans Mastering in den USA, wo wir ins Studio kamen, und da standen A(a)ltec-Boxen. Wir lagen auf dem Boden vor Lachen. Wir waren halt komplett überarbeitet, haben wenig geschlafen, hatten nur Stress und die Amis haben wirklich gedacht, wir haben total einen an der Klatsche. »Feuerwasser« hat uns geistig zurück in die Steinzeit geworfen. (lacht)

Am 05.06.2010 wird es in Köln ein »Zehn Jahre Feuerwasser«-Jubiläumskonzert geben. Was passiert da genau?
Einiges! Das Ziel ist, »Feuerwasser« komplett zu performen, von Anfang bis Ende, plus die Feature-Beiträge aus der Zeit. Wer das Album kennt, kann sich denken, wen ich dafür als Gäste einlade. Auf der Tour waren ja auch DCS, Tefla & Jaleel und Pyranja dabei. Der Klan wird am Start sein, und wenn wir alle ganz lieb sind und Lord Scan gut zureden, wird er ein letztes Mal auf der Bühne performen. Vielleicht kommt J-Luv. Die Stieber Twins und Cora E. sind angefragt. Ich möchte Tone noch fragen, ob er kommt. Natürlich würde ich mich sehr freuen, La Familia einzuladen. Es wird noch einige Überraschungen geben. Und ich werde nicht mit Band spielen, sondern nur mit Kool DJ GQ. Ein DJ, ein MC.

Was macht Scan eigentlich heute?
Er ist Grafik-Designer. Als ich mit ihm telefoniert habe, klang es nicht so, als würde er noch konkret Musik machen – aber ich weiß es nicht genau.

Kann es übrigens sein, dass du kommerziell stets unterschätzt wirst?
Ja, das war schon immer so. »Von innen nach außen« war damals in den Top 10. Trotzdem war ich in dem Jahr nicht für den “Comet” nominiert, sondern z.B. Nico Suave. Respekt an ihn, aber er hat schon deutlich weniger verkauft als ich. Die von Viva meinten zu meinem Management: »Curse? Der hat doch nichts verkauft!«Also nannten wir ihnen die Zahlen und Platzierungen. Die hatten das überhaupt nicht auf dem Schirm. Sogar Bass Sultan Hengzt hat mal behauptet, dass er mehr verkauft als ich. Das Album will ich sehen. Weißt du, ich habe nie mit Zahlen rumgeprollt. Aber wo du fragst, kann man das ja sagen: Ich habe von jedem meiner Alben mindestens 50.000 Platten verkauft, teilweise auch deutlich mehr. Klar, das sind jetzt keine 200.000, aber in den heutigen Zeiten auf diesem Level zu bleiben, das finde ich schon respektabel. Nur ist es am Ende auch scheißegal, deshalb prolle ich sonst nicht damit rum. Gang Starr haben auch nicht mehr Alben verkauft als Vanilla Ice.

Wie war für dich die Zeit nach »Freiheit«?
Auch dieses Album ist extrem gut gelaufen. Wir haben zwei Tourneen gespielt, waren auf vielen Festivals, wir waren mit »Bis zum Schluss« mehrere Wochen Top 10. Außerdem war der Albumtitel auch Programm: Ich bin jetzt Free Agent, habe meine Verträge erfüllt und stehe genau wie bei »Feuerwasser« wieder an einem Wendepunkt in meinem Leben. Das gibt mir die Möglichkeit, mich komplett neu ­aufzustellen. Ich genieße diese absolute Freiheit, zu ­machen, worauf ich Bock habe und mir mein Team ­zusammenzustellen.

Abgesehen von den Songs auf der »John Bello Story 3« hast du mit Savas auch noch den ­Titelsong zu »Bis aufs Blut« aufgenommen.
Genau. Der Film ist wirklich killer! Er ist von Oliver Kienle, der letztes Jahr auf der Berlinale den Drehbuchbreis gewonnen hat. Der Film spielt in Würzburg in so einem Kleingangster-HipHop-Mileu. Dadurch, dass er nicht in Berlin spielt, fährt er so geil an allen Klischees vorbei. Für mich der beste deutsche Film dieses Genres. Er wird wohl im Sommer in die Kinos kommen. Und ich habe mehrere Songs für den Soundtrack gemacht und executive producet, u.a. den fantastischen Song “Hotelzimmer” von der neuen Gruppe The Achtung ­Achtung (theachtungachtung.com).

Was für eine neue Gruppe?
Da hülle ich mich noch in Schweigen. Aber um ­gewissen Leuten die Angst zu nehmen: Es wird kein Singer-Songwriter-Projekt und ich mache auch kein Electro-Album. (lacht) Aber es wird in nächster Zeit auch keine Rap-Platte von mir geben. Ich will nicht ausschließen, dass ich irgendwann noch mal eine mache. Aber vorerst schließt diese EP einen zehnjährigen Zyklus ab. Jetzt ist erstmal Schicht mit Rap.

Text: Sherin Kürten

 

 

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